Sonntag, 24. Juni 2007

"Ein Reiher schreitet stolz auf hohen Beinen ..."

An den Weihern der Eremitage sind regelmässig ein bis zwei Graureiher zu beobachten.
Im Mittelalter hoch geschätzt und als sogenannter Beizvogel (für die Falknerei verwendeter Greifvogel) der "Hohen Jagd" (dem Adel vorbehaltene Jagd auf Hochwild wie Hirsch oder Wildschwein) vorbehalten, wurde der Graureiher bis ins 20. Jahrhundert intensiv bejagt. Seit 1926 ist er in der Schweiz unter Schutz gestellt, nachdem sein Bestand durch Fischer, die ihn hartnäckig verfolgten, und durch die Trockenlegung von Feuchtgebieten massiv dezimiert wurde. Namhafte Schäden an den Fischbeständen richten Graureiher aber nur in unnatürlichen Gewässern wie begradigten, kahlen Bachläufen und Fischzuchten an. Wenn die Fische geeignete Plätze zum Ablaichen und genügend Versteckmöglichkeiten finden, so kann der Graureiher den Fischbestand nicht schädigen.

Graureiher-Eremitage-Arlesheim3

Die Fütterung der Wasservögel und Fische durch die Besuchenden der Eremitage hat dazu beigetragen, dass sich die Fluchtdistanz des Reihers mehr und mehr verringert hat. Regelmässig kann er beobachtet werden, wie er darauf wartet, dass die Fische gefüttert werden, um nach ihnen zu schnappen.

Graureiher-Eremitage-Arlesheim2

Dass der Reiher im Mittelalter in noblen Kreisen verkehrte und die adlige Gesellschaft auf die Jagd begleitete, dürfte seinen Auftritt als hochmütiges Fabeltier begünstigt haben: Dem grossen französischen Dichter Jean de La Fontaine (1621 - 1695), der in seinen Fabeln einen skeptischen Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit wirft, dient der Reiher zur Beschreibung von Hochmut, Stolz und Verächtlichkeit:
Der Reiher

Ein Reiher schreitet stolz auf hohen Beinen, und reckt und streckt dabei den Hals, den feinen, an eines Baches Bord entlang. Die Sonne lacht, im klaren Wasser tummeln sich fröhlich Hechte, dicke Karpfen bummeln und bieten sich zu leichtem Fang.

Der Reiher aber lässt im Wohlbehagen sich gar nicht stören, denkt: für meinen Magen ist es noch nicht die rechte Zeit; die Leckerbissen will ich mir erjagen, wenn's mit dem Hunger ist soweit.
So sonnt er träumend sich auf einem Bein. Da stellt der Hunger sich ganz plötzlich ein. Voll Appetit äugt er ins Wasser, wär' gern jetzt Hecht- und Karpfenprasser, doch schmale Schleien kann er nur entdecken. "Solch Bettelmahl soll einem Reiher schmecken?" Verächtlich pfeift er: "Gut, so wart' ich noch!" Die Schleien schwimmen fort, und aus dem Loch vom Grund ein Gründling flirrt empor, kaum fingerlang und dünn wie Rohr.

"Den Schnabel aufzutun nach solchem Dreck fällt keinem Reiher ein, drum schert euch weg! Ich werd' mich zu gedulden wissen für einen würd'gen Leckerbissen."

Bald steht er, hungersmatt, auf beiden Beinen; umsonst! kein einziger Fisch will mehr erscheinen.
Was nun? ... Er schwankt zur nahen Wiesenecke, frisst gierig-froh dort eine bitt're Schnecke!

Wer gar zu anspruchsvoll begehrt zu jeder Zeit den höchsten Wert, wird manchesmal zu guter Letzt durch allerkleinste Ding ergötzt.

Der Wanderer von Arlesheim

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