Montag, 11. September 2006

Fledermäuse in Not

Im Juli berichtete die Naturschutzkommission auf der offiziellen Webseite der Gemeinde über Heimliche Untermieter in Not. Die 23-jährige Biologiestudentin Céline Ernst schreibt ihre Masterarbeit an der Abteilung Biologie des Instituts für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz der Universität Basel zum Thema Fledermäuse und hat die Bevölkerung von Arlesheim aufgerufen, ihr Fledermausvorkommen zu melden. Der Wanderer von Arlesheim hat bei der jungen Fledermausforscherin nachgefragt:

ZwergfledermausWanderer von Arlesheim: Welche Fledermausart kann in unserer Gegend am Häufigsten beobachtet werden?
Céline Ernst: In unserer Gegend können 24 Arten beobachtet werden. Am Häufigsten trifft man bei uns gerade im Siedlungsgebiet die Zwergfledermaus an, die grösstenteils in Spalten an Häusern lebt. Diese Fledermausart ist mit einer Kopf-Rumpflänge von 3 bis 5 cm und einer Spannweite von ca. 20 cm die zweitkleinste Art der Schweiz.

Welche Zeit des Jahres bzw. des Tages eignet sich am besten, um Fledermäuse in unserer Gegend zu beobachten?
Frühling bis Herbst ist Fledermauszeit. Hochsaison ist im Sommer, da kann man Fledermäuse bei der Dämmerung fliegen sehen. Bat-detektorEmpfehlenswert ist bei der Beobachtung von Fledermäusen ein so genannter Bat-Detektor, mit dem man die Ultraschall-Rufe der Fledermäuse hören kann. Auch über offenen Wasserflächen kann man mit Hilfe einer Lichtstarken Taschenlampe Fledermäuse bei der Jagd über der Wasserfläche beobachten. Ansonsten: Der Fledermausverein pro Chiroptera bietet in der Fledermaussaison geführte „Fledermaus-Erkundungen“ an.

Während die Balzzeit der meisten Tiere im Frühling stattfindet, paaren sich die Fledermäuse jetzt, also im August/September.
Es gibt auch noch einige anderen Säugetiere, welche sich im Herbst paaren (z.B. das Reh). So ist garantiert, dass die Weibchen schon sehr früh im Jahr schwanger sind und die Jungen anfangs Sommer zur Welt kommen, wenn am meisten Nahrung vorhanden ist. Die Paarung im Herbst erfordert einige Anpassungen, denn eigentlich hätte sie den Nachteil, dass die Tiere den Winter hindurch schwanger sind (was eine zusätzliche Belastung für das Weibchen wäre). Fledermäuse haben dieses Problem aber elegant gelöst. Die Paarung findet zwar im Herbst statt, die Befruchtung aber erst im Frühjahr. Nach der Paarung speichern die Fledermausweibchen das Sperma in der Gebärmutter. Erst nach dem Winterschlaf (bestimmte Temperaturschwelle) finden der Eisprung und die Befruchtung statt.

Fledermäuse sind bedroht. Welches sind die Hauptgefahren, die ihnen lauern?
Fledermäuse sind natürlicherweise sehr von den Wetterverhältnissen abhängig. Extreme Kälte und andauerne Schlechtwetterperioden gefährden besonders in der Zeit der Schwangerschaft und der Jungenaufzucht im Frühling und Sommer den Nachwuchs. Kälte im Frühling zwingt die wechselwarmen Tiere, ihre Körpertemperatur abzusenken (um möglichst wenig Energie in der Nahrungsarmen Zeit zu verlieren), was dann aber den Verlust des Embryos zu Folge hat. Ist das Junge schon auf der Welt, erfordert die Aufzucht einen hohen energetischen Aufwand von der Mutter. Wenn das Nahrungsangebot genau in dieser wichtigen Zeit nicht optimal ist, kann die Mutter ihr Junges unter Umständen nicht aufziehen. Fledermäuse haben normalerweise nur ein Junges, wenn dieses stirbt ist der Fortpflanzungserfolg in diesem Jahr gleich null. Zwergfledermaus-im-FlugAuch natürliche Feinde wie Greifvögel können Fledermäuse erbeuten. All diese natürlichen Gefahren für die Fledermäuse sind für eine stabile, gesunde Population nicht dramatisch, sie können aber auf ein Jahr gesehen einschneidend sein. Bei angeschlagenen Populationen, wie wir sie teilweise heute haben, können solche Ereignisse aber unter Umständen gravierender sein. Nun kommen noch zusätzliche Gefahren durch den Menschen und sein Haustier, die Katze, hinzu. Alles zusammen kann die Gleichgewichtswaage dann ins Wanken bringen. Die Gefahren, welche durch den Menschen verursacht sind, sind vielfältig. Einerseits werden durch die Veränderung der Landschaft (Strukturverlust, landwirtschaftliche Veränderungen) Lebensräume und Jagdhabitate verschlechtert oder gar zerstört. Auch der Einsatz von Pestiziden gefährdet Fledermäuse (Forscher der Uni Bern haben herausgefunden, dass der dramatische Rückgang der Hufeisennnasen seinerzeit auf den Einsatz von DDT zurückzuführen ist). Auch durch architektonische Veränderungen und Renovationen verloren viele Fledermäuse wichtige Quartiere. Der alte Estich, der für gewisse Fledermausarten wichtige Wochenstube ist, verschwindet zusehends oder ist „Fledermausdicht“. Das ist für diese Arten insofern tragisch, weil diese Dachstöcke in unseren Breitengraden die einzigen „warmen Höhlen“ sind, wie sie die Fledermäuse zur Jungenaufzucht benötigen (natürliche Höhlen sind bei uns zu kalt für die Jungenaufzucht). Fledermaus-auf-der-JagdEs gibt noch viele kleineren Gefahren, die vom Menschen ausgehen. Touristisches oder sportliches Erschliessen von Höhlen, die Fledermäusen als Winterquartier dienen, Vertreiben aus Quartieren, Verschluss von Quartieren etc. Man darf nicht verschweigen, dass gewisse Einflüsse des Menschen zumindest auf gewisse Fledermausarten auch positive Effekte hatten. So sind Strassenlampen besonders für die Zwergfledermäuse ein reich gedeckter Tisch, wo ihnen die Insekten sozusagen „in den Mund fliegen“.

Frau Ernst empfiehlt, Renovationen an Gebäuden nicht in der Zeit der Jungenaufzucht vorzunehmen, sondern im Spätherbst/Winter und Fledermaus-Hangplätze wenn möglich unbehandelt zu lassen. Den zweiten Teil des Interviews, in dem Sie erfahren, wie sinnvoll Fledermauskästen sind, was bei deren Bau zu beachten ist und ob der Aufruf an die Arlesheimer Bevölkerung erfolgreich war, lesen Sie demnächst hier in meinem Arleser Skizzenbuch.

Der Wanderer von Arlesheim

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